Ein Schüleraustausch zwischen Hamburg und London
Albrecht Thaer Gymnasium – Bexley Grammar School
Hamburger Flughafen. Seit drei Tagen haben die Hamburger Sommerferien. Im Terminal bilden sich lange Schlangen, und die Reisenden hoffen möglichst schnell zu ihren Abfluggates zu gelangen. Nicht so zweiundzwanzig englische und deutsche Teenager. Sie liegen sich weinend in den Armen, können sich nicht trennen und vergessen, ihre Koffer weiter in Richtung Check-in-Schalter zu schieben. Am Rand stehen die deutschen Gasteltern und Geschwisterkinder um Auf Wiedersehen zu sagen, und auch einigen Müttern stehen Tränen der Rührung in den Augen. Die anderen Fluggäste wissen offensichtlich nicht so recht, was sie von den vielen Emotionen halten sollen und deshalb erklärt Mr Costar, der zusammen mit Ms. Symons, die englische Schülergruppe begleitet: „Das ist ein Schüleraustausch zwischen Hamburg und London.“ Sogleich erscheint ein verständnisvolles Lächeln auf den Gesichtern der Wartenden. Hanseaten haben große Sympathie für unsere britischen Nachbarn. Hamburg gilt als die „die allerenglischste Stadt des Kontinents“ (vgl. Böhme, Helmut, Frankfurt und Hamburg. Des Deutschen Reiches Silber- und Goldloch und die allerenglischste Stadt des Kontinents, Frankfurt am Main 1968) und die Verbindung der Städte Hamburg und London war immer eine besondere.
Rund 3700 Briten leben in unserer Stadt. Die englische Planke und der Old Commercial Room am Michel erinnern an die jahrhundertelange Tradition der deutsch-englischen Handelsbeziehungen. Diese begannen, als Hamburger gemeinsam mit Kölner und Lübecker Kaufleuten in London ein zentrales Handelskontor, den Steelyard, eröffneten.
1321 trat Hamburg der Hanse bei und im 16. und 17. Jahrhundert blühte der Tuchhandel mit der Right Worshipful Company of Merchant Adventurers of England, einer englischen Kaufmannsvereinigung. Schon damals gab es gewissermaßen „Schüleraustausche“, denn viele Hamburger Kaufmannssöhne verbrachten traditionell einige Lehrjahre in britischen Unternehmen. Nur einen Steinwurf von der englischen Planke entfernt steht die anglikanische Kirche St. Thomas à Becket, deren Gemeinde im letzten Jahr ihr 400-jähriges Bestehen feiern konnte. Hier findet der Gottesdienst selbstverständlich in englischer Sprache statt, und dies ist auch ein wunderbarer Ort der Begegnung.
Die englische Kirche und viele weitere Organisationen (u. a. Anglo-German Club, British Club, BRIDFAS bzw. The British Decorative and Fine Arts Society of Hamburg e.V.) pflegen die guten Verbindungen zwischen unseren Kulturen. (Zu Veranstaltungen britischer Organisationen in Hamburg siehe www.britaininhamburg.de.) Auch im Städtebau gibt es deutliche Parallelen der beiden Hafenstädte. Wer die Londoner Docklands kennt wird unschwer Ähnlichkeiten mit der Hamburger Hafencity sehen und hoffen, dass dieses Projekt in unserer wachsenden Stadt zu einer Erfolgsgeschichte wird.
Aber zurück zu unseren englischen und deutschen Teenagern. Natürlich haben sie eine Bootsfahrt durch den Hamburger Hafen gemacht, den Turm der Michaeliskirche bestiegen und das Rathaus gesehen. Sie haben die Geschichte der Stadt im Museum für Hamburgische Geschichte erkundet, im Miniatur-Wunderland Hamburg und Deutschland im Taschenformat besichtigt und die benachbarte Hansestadt Lübeck besucht. Die eigentlichen Highlights aber waren die Gespräche und der Spaß mit den neuen Freunden, die Begegnungen in den Familien und die Erfahrung, dass die Fremdsprache, die sie in der Schule lernen, tatsächlich der Schlüssel zu anderen Menschen und zu einer anderen Kultur ist.
Endlich steht die englische Schülergruppe vor der Stewardess am Check-in-Schalter, und die deutschen Gastfamilien winken zum Abschied ein letztes Mal. Da kommt eine Mutter auf mich zu. „Frau Knebler, bitte sagen Sie Ihren englischen Kollegen unbedingt, dass wir sehr beeindruckt sind, wie gut die englischen Schülerinnen Deutsch sprechen und dass sie auch den Mut haben, die Sprache anzuwenden. Da haben die Fremdsprachenlehrer tolle Arbeit geleistet!“ Diesem Kompliment möchte ich mich nachdrücklich anschließen und gebe es gerne an alle Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer der Bexley Grammar School weiter.
Mein besonderer Dank für die exzellente Zusammenarbeit und die freundschaftliche Verbundenheit aber gilt den beiden englischen Kollegen Ms. Morwenna Symons und Mr. Alan Costar. Es war schön, euch hier zu haben und ... see you soon in London!
Dr. Ulrike Knebler
(Fachleitung Englisch, Albrecht-Thaer-Gymnasium, Hamburg)