„Narrenhände bemalen Tisch und Wände“
Wandrers Nachtlied oder Ein Gleiches von Goethe im Spiegel von Corona
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„Narrenhände bemalen Tisch und Wände“
So heißt es im Volksmund und so begegnet es uns all über all auf Brücken, an Bäumen, auf Tischen, an Wänden, geritzt, gesprayt ..als Graffiti…,wo wir Leser und Betrachter es mal entfernen, mal stehen lassen, mal interessiert durchlesen, es fotografieren oder selbst zum „Beschmutzer“ werden.
Aber eine solche In- oder Anschrift hat es zu Weltruhm gebracht (vertont von Schumann, Schubert u.a. auf „You tube“ zu hören, in Lesebüchern zu lesen): Goethes 1780 an die Wand einer Jagdhütte mit Bleistift geschriebenes/geritztes „Wanderers Nachtlied“ oder „Eine Gleiches“
Ueber allen Gipfeln
Ist Ruh',
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! Balde
Ruhest du auch.
Goethe selbst besucht kurz vor seinem Tode 51 Jahre später diese Hütte noch einmal und verliert beim Schauen seines Gedichtes ein paar Tränen , die er mit einem weißen Taschentuch zu stoppen versucht..
Wie immer man dieses Gedicht auch deutet, als Abendstimmung harmonischer Ruhe, als bedrohliche Ankündigung des Todes, als Spiegel in sich harmonischer Ausgeglichenheit, als Ende aller Zeiten, als persönlich assoziiertes Liebesgedicht ohne Sturm und Drang usw.
Es eignet sich . wie ihr und Sie an den Gedichten in dieser Ausgabe erkennen könnt, wunderbar zu dem „Lock-down“ Wochen in den Coronar Zeiten.
Die SchülerInnen und Schüler meines S2 Kernkurses Deutsch hatten im Homeschooling zur Aufgabe bekommen, das Gedicht umzuformen und umzuschreiben auf die Stimmung in Lock-down Zeiten.
Häufig gedeutet bei den Schülern als Wandel eines harmonischen stimmungsvollen inneren und äußeren Naturvorganges zu einem politisch verordneten „Ruhezustand“ ab von städtischer Lebendigkeit und Lärm, mit einer bedrohlichen, fast tödlichen gespenstischen Atmosphäre („Ein Gespenst geht um in Europa..“)
Mit beeindruckender poetischer Phantasie haben die SchülerInnen die grafische Gestaltung (Graffiti, Instagram, Messenger..) , die Reimfomen, die Sprachbezirke („suchest du eine Packung Klopapier“, „Stange Lauch“) verändert, oder es finden sich gar poetische Oxymoron(s): „Ein Hauch von Sterilium“ , Hier wird gewissermaßen der Goethische „Hauch“ poetisch contradiktorisch verknüpft mit der Vernichtung allen Poetischen durch die Kraft des Sterilen – und das ist natürlich wirklich wiederum poetisch!
Im Sinne einer Schülerin:
„ warte nur, balde
hamsterst du auch“
Liebe LeserInnen: Werden (werdet) Sie HIER fündig und lest und schaut mit Vergnügen!
Peter Vollertsen